Orchideen in Schwerte  


Orchideen sind Kostbarkeiten,
sie üben eine ungewöhnliche Faszination auf uns aus. Eine Orchidee geschenkt zu bekommen, ist immer noch etwas Besonderes. Dabei werden sie in speziellen Gärtnereien längst als exotische Massenware gezüchtet. Weltweit gibt es rund 20 000 Orchideenarten, allerdings eignen sich nur wenige Arten zur Zucht. Die meisten Orchideen in den Tropen sind Epiphyten, also Aufsitzerpflanzen, die im oberen Kronenbereich der Bäume des Regenwaldes leben, wo es genügend Licht gibt.

Viele Menschen können sich unter diesem Eindruck nicht vorstellen, dass es selbst bei uns in Schwerte wild wachsende Orchideen gibt. Allerdings haben unsere Arten eher kleine, manchmal sogar recht unscheinbare Blüten. Glücklicherweise ist es so - sonst wäre manches wilde Vorkommen längst ausgerottet worden. Das letzte Frauenschuhvorkommen bei Oelde (in einem Naturschutzgebiet!) existiert nur deshalb noch in Resten, weil es inzwischen mit meterhohen Drahtzäunen gesichert wurde.

Mit einigen Bildern möchten wir Ihnen hier die in Schwerte vorkommenden Orchideenarten vorstellen. Sie haben ausnahmslos kleine Blüten, manche Arten tragen unscheinbare grüne oder braun-grüne Blüten, wie das Große Zweiblatt und die Breitblättrige Sumpf- oder Stendelwurz. Die Blüten der Knabenkräuter sind dagegen schön rot bis violett.

Orchideen sind von anderen Pflanzenfamilien vor allem an zwei Merkmalen zu unterscheiden: Sie haben als einkeimblättrige Pflanzen Blätter mit parallelen Nerven. Ihre Blüte besteht aus zwei ineinandergeschachtelten Keisen von je drei Blütenblättern, wobei das meist nach unten gerichtete des inneren Kreises als besonders geformte Lippe ausgebildet ist. Das erleichtert die Unterscheidung zwischen den einzelnen Arten. Bei Orchideen sind die Fortpflanzungsorgane, also Stempel und Staubgefäße zu einem Säulchen, dem sogenannten Gynostegium verwachsen.
Die Staubbeutel sind mit Klebscheiben versehen, die sich dem besuchenden Insekt als Ganzes wie kleine Hörnchen an den Kopf heften.
Epipactis helleborine

Die Breitblättrige Sumpf- oder Stendelwurz
Epipactis helleborine
Blütezeit: Ende Juni bis August

Sie ist unsere häufigste wildwachsende Orchidee, die auch immer noch in der Ausbreitung begriffen ist. Oft steht sie in Gärten und Vorgärten, in Parks und auf Friedhöfen. An halbschattigen Waldwegen scheint sie sich besonders wohl zu fühlen. Unterirdisch ist das Wurzelwerk stark mit einem Pilz verbunden. Wie alle unsere Orchideen benötigen die mikroskopisch kleinen Samen, die keinen Nährstoffvorrat mitbringen, jeweils einen bestimmten Pilz, dessen Hyphen in den Samen eindringen. Der Pilz versorgt zunächst den kleinen Keimling und bleibt in Symbiose mit der Orchidee zeitlebens verbunden. Er ist es wohl vor allem, der die Orchidee befähigt, auch an schattigen Standorten mit sehr wenig Licht auszukommen. Die Blüten werden hauptsächlich von Wespenarten besucht.

Das Gefleckte Knabenkraut
Dactylorhiza maculata
Blütezeit: Juni bis August

Längst nicht so häufig wie die obige Art finden wir bei uns diese hübsche Orchidee. Obwohl sie sonst auch gern an feuchten, lichten Waldwegen steht, hat sie sich hier nur an einem grasigen Siepen im Grünland breit gemacht. Damit ist sie allerdings von Naturschutzmaßnahmen abhängig. Sobald dieser Lebensraum nicht mehr durch Mähen gepflegt wird, kommen Gehölze auf, und die Orchideen werden verschwinden. Der Besitzer ist nicht bereit, die Fläche an den Kreis oder die AGON/NABU zu verkaufen. Die Pflanzen sind sehr variabel in Form und Farbe und neigen zur Bastardbildung. Oft kommen sehr helle, fast weiße Blüten und abweichende Blütenformen vor. Die Blätter zeigen alle Varationen von gefleckt bis ungefleckt.

Dactylorhiza maculata
Neottia nidus-avis

Die Nestwurz
Neottia nidus-avis
Blütezeit: Mai bis Juni

Wer die Nestwurz nicht kennt, wird sie auf dem braunen Waldboden übersehen oder für eine verwelkte Pflanze halten. Verwelkt und vorjährig ist aber nur das dunkelbraune Exemplar ganz rechts im Bild. Obwohl die Pflanze praktisch kein Blattgrün ausbildet, ist sie auch kein Schmarotzer wie etwa der Fichtenspargel. Sie hat sich nur ganz auf ihren Pilzpartner eingestellt und lebt mit ihm von der Blattstreu auf dem Waldboden. Diese Nahrung kann allerdings nur von Pilzen aufgeschlossen werden. Die Blüten haben schwachen Honiggeruch und locken vor allem Fliegen an. Am Grunde der Lippe bilden sich häufig Nektartröpfchen. Über die Bestäubung ist noch nicht viel bekannt, wahrscheinlich kommt oft Selbstbestäubung vor. In unserem Gebiet bevorzugt die Nestwurz feuchte Laubwälder.

Das Große Zweiblatt
Listera ovata
Blütezeit: Ende Mai bis Ende Juni

Das Große Zweiblatt ist bei uns eine zwar nicht häufige aber häufig übersehene Art. G. KOCHS entdeckte erst 2004 ein großes Vorkommen auf der Wiese eines Parks. Es scheint das größte bekannte Vorkommen im ganzen Kreis Unna zu sein. Die Tarnfarbe des Großen Zweiblattes ist geradezu perfekt. Das gilt in eher noch höherem Maße von dem bei uns nicht vorkommenden Kleinen Zweiblatt.
Bezeichnend für unser Zweiblatt sind die zwei großen fast gegenständigen Blätter, die mehr oder weniger hoch in der unteren Stängelhälfte sitzen. Mit ihren bogigen Adern erinnern sie, mit Ausnahme des Blattgrundes, an die Blätter des Großen Wegerichs. Die Blütenblätter neigen sich nach vorn zu einem Helm zusammen. Die doppelt so lange und tief zweispaltige Lippe ist dagegen oft stark nach unten hinten gekrümmt. Hier wird auch der Nektar abgesondert.
Angenehm für den Orchideenfreund: Hier gibt es keine Gefahr der Verwechslung - und Bastarde scheint die Art auch nicht zu bilden. Zumindest ist darüber nichts bekannt.

Listera ovata
Dactylorhiza majalis

Das Breitblättrige Knabenkraut
Dactylorhiza majalis

Blütezeit: Mitte Mai bis Juni

Der schönste Bestand dieser attraktiven Orchidee mit rund 1200 Pflanzen steht im Naturschutzgebiet Ebberg. Er ist der Lohn der jährlichen Pflegearbeiten, die wir dort ausführen. Insbesondere die Große Goldrute, eine eingeschleppte Art, versucht immer wieder, den Orchideenstandort zu überwuchern. Das Breitblättrige Knabenkraut braucht helle, feuchte und ungedüngte Standorte. Feuchtwiesen eben - aber die sind im Laufe der Jahrzehnte im ganzen Ruhrtal und auch in den Bachtälern durch Dränagen trocken gelegt oder zugekippt worden. So sind die Bergsenkungsgebiete im nördlichen Kreisgebiet letzte größere Rückzugs- und Ausbreitungsgebiete.
Die Blätter dieses Knabenkrautes sind normalerweise - aber nicht immer - gefleckt. Die Tragblätter sind länger als die Blüten. Die Blütenfarbe variiert von rot über purpur bis hellviolett. Die Lippe mit heller Basis ist breiter als lang, was oft nicht auffällt, wenn die Seitenlappen zurück gebogen sind. Das Muster von Punkten, Strichen oder Schleifen auf der Lippe kann von Standort zu Standort unterschiedlich sein.

Wie war es früher?

GÖTZ HEINRICH LOOS hat sich in die Geschichte der Orchideen des Kreises Unna vertieft und einige bemerkenswerte Beobachtungen zusammen getragen, wobei auffällt, dass für die Zeit vor 1924 für Schwerte keine Aufzeichnungen bekannt sind.

Der Dortmunder HERMANN LANGE war mit seinem Botanikerfreund NEIDHARD auch in Schwerte unterwegs. 1940 - 1947 fanden sie bei Geisecke am damaligen Verschiebebahnhof die Echte Sumpfwurz und 1947 eine Hybride Breitblättriges x Geflecktes Knabenkraut. Ohne Datumsangabe bei Geisecke ein Fund von Breitblättrigem und Geflecktem Knabenkraut (natürlich die Voraussetzung für die Bastardbildung).

FRITZ ABEL aus Westhofen, uns noch in sehr guter Erinnerung, sah um 1950 eine nicht bestimmte Waldhyazinthe (wahrscheinlich die Grünliche) am Waldrand bei Haus Ruhr. Später fand er sie leider nicht wieder. Am Waldrand des Nattlandes bei Westhofen entdeckte er im selben Jahr auch eine einsame Mücken-Händelwurz, die sich zwei Jahre hielt. Vor 1924 kannte auch der Hagener Botaniker CARL PRIES einen Standort dieser Art bei Ergste. ABEL notierte auch im unteren Wannebachtal südlich der Steinernen Brücke bei Holzen-Rosen noch größere Bestände des Breitblättrigen Knabenkrautes. Durch Bodenaufschüttungen wurde der Standort um 1960 begraben.

... und wie mag die Zukunft aussehen?

Dactylorhiza majalis
Ist das auch die Zukunft? NSG Ebberg als Arena für Trendsportarten.

Da wir bei uns nur wenige Orchideenstandorte haben, kann die Zerstörung eines Standortes schon zum Erlöschen einer ganzen Art für Schwerte führen. Das Vorkommen des Breitblättrigen Knabenkrautes auf dem Ebberg ist, wenn auch nicht bedroht, so doch zumindest in der jetzigen Größenordnung von den jährlichen Mäharbeiten abhängig. Was passiert, wenn wir das nicht mehr können und wenn der Kreis kein Geld für die Pflege hat, ist ungewiss. Der Standort des Gefleckten Knabenkrautes muss leider als bedroht angesehen werden. Der Eigentümer ist nicht daran interessiert, will die Fäche aber auch nicht verkaufen. Hier droht die Vernichtung des Vorkommens durch Verbuschung.

Ein Lichtblick ist die Breitblättrige Sumpfwurz, die zwar auch Standorte verliert, sich andererseits aber ausbreitet und immer neue Stellen besiedelt - bis hinein in die Hausgärten. Der Bergkamener BERND MARGENBURG, Kreisbeauftragter des Arbeitskreises Heimische Orchideen, hat sie die "Orchidee mit Zukunft" genannt.                

Text und Bilder: Dieter Ackermann, November 2004

Literatur:

ABEL, F., (1986) Orchideen(arten) im Straßengraben. Heimatbuch Kreis Unna 7: 48 - 49

ARBEITSKREIS HEIMISCHE ORCHIDEEN NRW (2001), Die Orchideen Nordrhein-Westfalens. Selbstverlag , ISBN 3-00-008254-9

BAUMANN, H. & S. KÜNKELE (1982), Die wildwachsenden Orchideen Europas. Stuttgart, Franckh, ISBN 3-440-05068-8

MARGENBURG, B. (1997), Epipactis helleborine: Eine Orchidee mit Zukunft. Naturreport, Jahrbuch Naturförderungsgesellschaft Kreis Unna e.V. 1: 85 - 86

MARGENBURG, B. (1998), Die Orchideen des Kreises Unna. Hrsg. Naturförderungsgesellschaft Kreis Unna e.V., Unna, ISBN 3-9803244-3-5

NILSSON, S. & B. MOSSBERG (1978), Orchideen Mittel- und Nordeuropas. Stuttgart, Franckh, ISBN 3-440-04662-1