1957 stand ich fasziniert vor dem Schaufenster eines
Jagdausrüsters. Dort lag ein Novoflex-Fernobjektiv 400/5,6,
das ich gern gehabt hätte, das für einen armen Studenten aber
unerschwinglich war. Wo hätte ich es auch ansetzen sollen? Ich hatte
ja nicht einmal eine Spiegelreflexkamera. Mein Erspartes hatte ich gerade
ausgegeben für ein ordentliches Hensoldt 10x50 Fernglas. Als Fotoapparat
besaß ich eine einfache 6x6 Agfa-Isolette - Punkt. Da fiel mir im
Fotoladen eine kleine Broschüre auf, die ich sofort mitnahm: "Tierphotos
mit jeder Kamera" von Wolfgang Alexander Bajohr. Darin gab es einige
Tipps, wie man auch ohne Exakta oder Edixa Reflex (die Japaner bauten
damals noch Leicas nach) zu Tierfotos kommen konnte. Mit diesem neu erworbenen
Wissen schaffte ich mein erstes Foto eines Hasen, der sich sogar selbst
fotografiert hatte:
Neben einem Wildwechsel im Weisched
bei Ergste hatte ich nachmittags meine Isolette, bestückt mit Blitz und
Osram XP-Birnchen aufgestellt. Am Drahtauslöseranschluss steckte ein
elektrischer Auslöser, der mit einer Batterie und mit einem einfachen
Kontakt verbunden war. Am Kontakt hatte ich einen Zwirnsfaden befestigt,
der quer über den Wildwechsel gespannt war. Nun war ich genau so
gespannt wie der Zwirnsfaden, ob wohl ein Reh vorbei kommen werde. Als
ich mich gegen Abend wieder vorsichtig näherte, war der Blitz ausgelöst.
Erwartungsvoll packte ich die Sachen, schwang mich aufs Fahrrad und fuhr
im Dunkeln heim. Groß war die Enttäuschung, als
ich den Film - damals noch Schwarzweiß - entwickelt zurück
bekam. Auf dem Bild war der Wildwechsel - sonst nichts. In der Feuchtigkeit
der Abendluft war der Zwirnsfaden eingelaufen und hatte Verschluss und
Blitz ausgelöst. Der zweite Versuch mit einem dünnen Kupferdraht
anstelle des Zwirnsfadens brachte schließlich mein erstes Bild eines
frei lebenden Tiers. Aber es war kein Reh, ein Hase war mit dem Rücken
an den Draht gestoßen.
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Der
Hase hat sich selbst fotografiert. Im Vordergrund der Stock, der den aus
Draht gebogenen elektrischen Kontakt mit dem Auslösefaden trägt.
Der Kolbenblitz leuchtete zu lange, um den laufenden Hasen scharf abzubilden. |
Halali gegen Gut Licht
Da bekommt man in Fotobüchern manchmal tolle Vorschläge.
Man soll sich, wenn man Wild fotografieren möchte, doch bitteschön
vertrauensvoll an den zuständigen Förster oder Jäger wenden.
Versuchen Sie das mal - aber 30 km entfernt, wo sie gar nicht fotografieren
wollen. Sie werden sich eine Blase laufen. Der Jäger wird einen Teufel
tun, aber Ihnen nicht die Stellen zeigen, wo Sie bei ausreichendem Licht
Reh oder Rothirsch auf den Film bekommen könnten. Er wird versuchen,
sich Ihren Namen, Ihr Aussehen, Ihr Fahrzeug und dessen Kennzeichen zu
merken. Ihre Chancen, dort zum Fotoschuss zu kommen, stünden ausgesprochen
schlecht. Irgendwie ist sein Verhalten sogar verständlich. Erstens
weiß er nicht, ob Sie sich im Revier nicht wie der Elefant im Porzellanladen
bewegen, und zweitens hasten schon genug Jogger frühmorgens und spätabends
durch den Wald. Wie soll dann noch Ruhe einkehren?
Wenn Sie trotzdem Wild fotografieren wollen, müssen
Sie zum Schatten werden. Den "Blase"* kennen Sie fast auswendig.
Ihr Auto steht dort, wo es absolut unauffällig ist, oder Sie haben
Sporttasche und Handtuch auf dem Rücksitz liegen. Zunächst müssen
Sie herausfinden, wo das Rehwild bei einigermaßen Licht austritt,
wo die Brunftplätze des Rotwildes liegen und wo Sie sich am besten
bei welchem Wind ansetzen. Ansitz ist immer erfolgversprechender als Pirsch.
Natürlich kennen Sie die Jagdzeiten und wissen, wann Jäger verstärkt
im Wald auftauchen und auf den Hochsitzen lauern. Jäger pflegen "not amused" zu reagieren, wenn Sie morgens oder abends Ihre Kamera mit großem Tele frei herum tragen. Gehen Sie nachmittags
zum Ansitz, sind Sie harmloser Wanderer mit Rucksack (kein Fotorucksack!).
Kein Stativbein guckt oben heraus. Am Morgen vor Tagesanbruch oder abends
wenn es dunkel wird, zieht das nicht. Aber Sie wissen doch, dass Jäger
heute nicht mehr zu Fuß gehen, sondern im Geländewagen zum
Hochsitz fahren. Beim entfernten Motorgeräusch sind Sie längst
vom Weg (oder vom Hochsitz) verschwunden, in Wegkurven natürlich
zur Kurveninnenseite, wohin die Scheinwerfer nicht leuchten.
Wem das zu abenteuerlich ist, geht in den Wildpark. Dort
sind die Aussichten, zu Bildern zu kommen, unvergleichlich besser. Was
meinen Sie wohl, wo die meisten der schönen Aufnahmen gemacht wurden,
die Sie in den Jagdzeitschriften bewundert haben?
Warum nicht in die Ferne schweifen?
Das Problem in unserem dicht besiedelten Land ist ja
nicht etwa der Mangel an Wild, sondern die Tatsache, dass es wegen dauernder
Störungen fast nur noch nachtaktiv ist. In anderen, dünner besiedelten
Ländern kann das ganz anders sein. Elche in Skandinavien sind zwar
heimlich, aber auch am Tage unterwegs. Ohne Probleme lassen sich Rentiere
fotografieren, soweit sie "Nutztiere" sind. Wilde Renherden,
wie es sie in der Hardanger Vidda und im Dovrefjell gibt, halten dagegen
große Fluchtabstände ein. Vorsichtig sollten Sie bei den norwegischen
Moschusochsen sein. Kommen Sie Ihnen nicht zu nah. Nehmen Sie - auch wenns
schwer wird und weit zu schleppen ist - ein langes Tele oder eben die Superzoom-Bridge mit.
Gemsen, Murmeltiere und Steinböcke in den Alpen
sind tagaktiv. Gemsen sind nun mal scheu, aber Murmeltiere sind von Natur
aus neugierig und lassen sich mit etwas Geduld leicht fotografieren. Steinböcke
flüchten nicht wie Gemsen, sondern springen oft nur einen Felsen
höher, um die vermeintliche Gefahr besser beobachten zu können.
Anbieter von Jagdreisen finden Sie auf der Ausstellung "Jagd und
Hund" in Dortmund, Fotoreisen werden am Rande der Jahrestagung der
GDT in Lünen und selbstverständlich im Internet angeboten.
*)Richard Blase: Die Jägerprüfung
Text und Fotos: Dieter Ackermann
Aktualisiert: Feb. 2016
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Rehbock im Ruhrtal bei Schwerte.
Des Jägers Freud', des Försters
Leid: Der Elch verbeißt junge Bäume. Wer kein guter Sprinter ist, hält lieber Abstand. Vargön, Schweden
Bei Moschusochsen ist Vorsicht geboten. Ein
italienischer Fotograf hat seinen Mut mit dem Leben bezahlt. Dovrefjell,
Norwegen.
Der Steinbock war die "wandelnde Apotheke"
früherer Zeiten. Nur eine kleine Herde in den Grajischen Alpen entging
der Ausrottung. Gran Paradiso, Italien. Guter Stützpunkt ist Rif. Vittorio Sella.
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