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Wer hat das nicht schon erlebt: Da sitzt man an einem schönen Spätsommernachmittag draußen und möchte in Ruhe seinen Obstkuchen verzehren. Doch kaum hat man den ersten Bissen im Mund, tauchen die Wespen auf. Aus ist's mit der Ruhe. Wespen mögen eben auch Süßes, obwohl sie sich eigentlich mehr von Fleisch ernähren. Sie jagen Insekten und Raupen, womit sie übrigens auch ihre Larven füttern.
Die Hornisse (Vespa crabro) kommt praktisch nie zum Kaffeetisch, sie gehört aber ebenso wie unsere schwarz-gelben Plagegeister zu den Faltenwespen. Hornissen sind sogar die Imponierendsten: die Arbeiterinnen bringen es auf zweiundzwanzig, die Weibchen, die Königinnen sogar auf volle dreißig Millimeter.
Natürlich können Hornissen auch stechen, viel schmerzhafter sogar als die kleineren Wespenarten, und sie verlieren im Gegensatz zu den Honigbienen dabei nicht einmal ihren Stachel. Wirklich gefährlich ist der Stich aber nicht, es sei denn, der Betroffene leidet unter allergischen Reaktionen. Zum Glück attackieren Hornissen nur ausnahmsweise Menschen. Das kann sein, wenn sie ihr Nest bedroht fühlen, weil jemand zu nah heran kommt oder es sogar entfernen oder zerstören will. Wer aber in friedlicher Absicht mit ganz langsamen Bewegungen kommt, wird sogar in Nestnähe akzeptiert. So konnte ich unmittelbar am Hornissennest im Laufe einer Brutsaison einen ganzen Videofilm über diese wirklich schönen Insekten drehen.
Über dem Kassenhäuschen des Duisburger Zoos befand sich den ganzen Sommer lang ein beflogenes Hornissennest. Unten strömten die Besucher ein und aus, oben die Hornissen, und keiner tat dem anderem etwas.
Damals reifte in mir der Entschluß, doch zumindest zu versuchen, die Ausbreitung dieser wehrhaften, dabei friedlichen, leider aber so seltenen Großinsekten zu unterstützen. Meine Theorie war, daß es den Hornissen vielleicht an geeigneten Möglichkeiten fehlen könnte, ihre Nester geschützt zu bauen. Häufig werden morsche, mit Höhlen behaftete Bäume im Interesse des Forstschutzes gefällt und beseitigt und die Hornissen suchen vergebens einen Brutplatz.
Also ging ich ans Werk. In einem Naturschutzbuch fand ich einen Bauplan, und bald hingen die ersten beiden Kästen an ausgesuchten Bäumen. Das war 1992. Inzwischen habe ich die Zahl der Nisthilfen auf stattliche 63 erhöhen können – aber ich bin auch um manche Erfahrung reicher geworden. Nicht nur um die, daß eine Nisthilfe noch lange keine neue Hornissenansiedlung nach sich zieht, auch die Kästen baue ich heute etwas anders.
Etwa fünfundzwanzig Millimeter starke, nicht imprägnierte Bretter verleime ich so miteinander, daß sich später möglichst keine unerwünschten Luftspalten bilden. Die Wetterfestigkeit bringt dann noch eine dicke Kunststoffbahn (Reste vom Dachdecker), die vom Dach bis über die Rückwand gezogen wird.
Um den Baum nicht zu schädigen, verwende ich keine Nägel sondern Gurte mit Spannern. So ist es auch sehr leicht, einen Kasten mal abzunehmen und an anderer Stelle wieder aufzuhängen. Bestimmt ist noch manches verbesserungsbedürftig, denn bis jetzt gibt es erst wenige Hornissenansiedlungen in meinen Kästen. Aber der Anfang ist gemacht, und jede Ansiedlung trägt zu neuen Erfahrungen bei. In den vier Jahren, in denen ich alle mir bekannt gewordenen Hornissenvölker dokumentiere, hat trotz mancher Ansiedlung nur ein Volk in den Nistkästen eine volle Saison überstanden. Dabei muß man wissen, daß auch Hornissen nur einen Sommer fliegen. Im Herbst stirbt der Staat ab. Nur die befruchteten Jungköniginnen überleben an geschützten Stellen den Winter und gründen im nächsten Frühjahr einen neuen Staat. Dazu sucht das Tier mit sicherem Instinkt eine passende Baumhöhle aus (wenn es die noch gibt). Dort hinein wird aus zerkautem und mit Speichel vermengtem Holz das kunstvolle Nest gebaut. Die bald ausschlüpfenden Hornissen beteiligen sich nun am weiteren Bau, so daß das Nest bis zur Größe von zwei untereinanderhängenden Fußbällen anwachsen kann. Die etagenweise angeordneten Waben sind nach außen durch eine Wand aus Papier geschützt. Durch das Eintragen verschiedener Holzarten kann das Nest grau, gelb oder rötlich gemustert sein.
Es bleibt zu hoffen, daß die kommenden Jahre eine Stärkung der Hornissenpopulation bringen werden. Es wäre schade, wenn dieses stattliche, übrigens unter Naturschutz stehende Insekt bei uns verschwände. Ich danke allen, die mir ihre Hornissenbeobachtungen gemeldet haben und bitte auch in Zukunft darum. Meinem Sohn Daniel danke ich für seine tatkräftige Hilfe bei Kontrollen und bei der Montage.
Joachim Becker†
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