Flächennutzung in Schwerte – ein Prozeß mit
Dynamik
Der Zustand unserer Natur hat nichts von seiner Brisanz
verloren – leider. Nach wie vor geht das Artensterben vor unserer Haustür
weiter, verschwinden Jahr für Jahr hektarweise Freiflächen unter
Asphalt, Beton und Zierrasen. 1996 erschien im UVP-Report ein kurzer Artikel
mit der Überschrift "Deutschland in 81 Jahren zugebaut".
Auf der Grundlage der Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurde berechnet,
daß für Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland
zwischen 1960 und 1990 im Schnitt 8200 Quadratmeter je einer Million Mark
Wirtschaftswachstum verbraucht wurden. Unter unveränderten Bedingungen
würde Deutschland eben in 81 Jahren komplett zugebaut sein. Nun wurden
zwar die damaligen Wachstumsraten von drei Prozent pro Jahr zugrundegelegt,
von denen wir uns heute wieder entfernt haben. Aber selbst bei bescheideneren
Prozenten und gleichem ungehemmtem Flächenverbrauch würde es
eben etwas langer dauern bis es in Deutschland weder Feld noch Wald, weder
Wiesen noch Viehweiden gibt sondern nur noch dachbegrünte Siedlungen,
Gewerbeparks und Straßen mit Begleitgrün.
Natürlich wird man ab irgendeinem Zeitpunkt beginnen,
wach zu werden, strengere Kriterien an den Freiflächenverbrauch anzulegen.
Steigende Baulandpreise werden schon dafür sorgen. Das löst
das Problem zwar nicht grundsätzlich, schiebt es aber hinaus.
Nun könnte man hoffen, was für Deutschland
gilt, muß nicht unbedingt auch für unser Bundesland, für
den Kreis Unna oder gar für Schwerte gelten. Norbert Diekmännken
hat für den "Naturreport" 1997 die Verhältnisse in
Nordrhein-Westfalen beleuchtet. Sein Ergebnis: "Der Anteil
der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche des Landes
ist von 14,6 Prozent im Jahre 1961 auf inzwischen über 21 Prozent
angestiegen. Bei anhaltender Entwicklung würde dieser Anteil im Jahre
2000 über 24 Prozent liegen. Im Vergleich dazu: Der Siedlungsflächenanteil
im Bundesdurchschnitt (alte Länder) beträgt nur 12,3 Prozent".
In unserem Land werden unsere Nachkommen also möglicherweise früher
als der Bundesdurchschnitt die zweifelhaften Vorzüge einer freiraumlosen
Stadtlandschaft genießen können.
Im Kreis Unna geht es noch dynamischer zu. Naturreport
zitiert die Zahlen des Liegenschaftskatasters. Der Kreis Unna hat eine
Fläche von 542,6 Quadratkilometer. Der Anteil für Bau-, Hof-
und Verkehrsflächen betrug 1995 135,3 Quadratkilometer, also 24,9
Prozent. Was für Nordrhein-Westfalen erst in zwei Jahren erwartet
wird, ist im Kreisgebiet längst Realität. Richtig interessant
wird die Sache aber, wenn wir die Verhältnisse in Schwerte betrachten.
Hier sind wir schließlich selbst die Betroffenen. Aufschlußreich
ist schon ein Blick auf die Landkarte. Die Abb. rechts zeigt im Vergleich
eine Karte von 1890 und 1990, jeweils mit den Grenzen entsprechend der
Gebietsreform von 1975. Bebaute Gebiete sind schwarz, Freiräume weiß
dargestellt. Obwohl die letzten Baugebiete in der neuen Karte noch nicht
berücksichtigt sind, ist der Trend deutlich zu erkennen: Schwarz
frißt Weiß – die einst kleinen schwarzen Flecken bedenken
schon gut ein Viertel der Fläche. Nach diesem aufschlußreichen
Blick in die Vergangenheit des letzten Jahrhunderts ist es sicher reizvoll,
die Entwicklung der letzten Jahre zu betrachten und daraus vielleicht
eine Vision für die Zukunft zu entwickeln.
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Bebaute Bereiche im Stadtgebiet 1890 und 2000
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Bodennutzung im Gebiet der Stadt Schwerte
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Die Stadt Schwerte gab bis ca. 2000 in jedem Jahr unter anderem
die statistischen Zahlen zur Bodennutzung bekannt. Die aktuellen Verhältnisse
zeigt Abb. 'Bodennutzung im Gebiet der Stadt Schwerte'.
Danach sind 29 Prozent der Gesamtfläche von 56,2 Quadratkilometer
bebaut. Das ist nicht die versiegelte Fläche, denn Hausgärten
zum Beispiel sind darin enthalten, da sie eindeutig dem Freiraum entzogen
sind. 1976, nach der Gebietsreform, betrug der Anteil der bebauten Flächen
noch 18 Prozent. Überträgt man diese beiden Werte in ein Diagramm
und nimmt man noch die Zahlen für drei dazwischen liegende Jahre
dazu, so erkennt man im Abb. 'Dynamik der Bodennuzung
im Gebiet der Stadt Schwerte' einen annähernd stetigen Aufwärtstrend
des unteren dick ausgezogenen Linienzuges. Das sieht zunächst
recht harmlos aus. Interessant wird es aber, wenn wir die Zeitachse auf
ein Fünftel komprimieren (oben im Diagramm dargestellt). Der gleiche
Kurvenzug wird dann kürzer und steiler, und verlängert man ihn
(gestrichelt), trifft er "im Jahre 2133" auf die 100 Prozentgrenze.
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Dynamik der Bodennuzung im Gebiet der Stadt Schwerte
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Im Klartext heißt das: Wenn der Trend des Bodenverbrauchs
für Baumaßnahmen weiterhin so anhält wie in den genannten
zwanzig Jahren, gibt in 135 Jahren der letzte Bauer seinen Hof auf, und
der letzte Wald wird kahlgeschlagen. Das sind gerade zwei Menschenalter
oder die Zeit, die eine Buche bis zur Hiebreife braucht. Dann gibt es
in Schwerte keinen Freiraum mehr. Die Jogger laufen auf wohnumfeldverbesserten
Straßen neben stehenden Kolonnen von Dreiliter-Autos und die Förster
pflegen die Blumenkübel.
Zugegeben das ist eine Fiktion, die so oder ähnlich
einträte, wenn sich an der lockeren Weise des Flächenverbrauchs
nichts änderte. Das kann aber so nicht bleiben. Dafür werden
schon die vorn zitierten Grundstückspreise sorgen. Wenn der Freiraum
immer knapper wird, gibt es außerdem für Investoren und Planer
weitere zeitaufwendige Probleme zu lösen: Umwandlung der Landschafts-
und Naturschutzgebieten in Bauland gegen den Widerstand ein paar ewig
Gestriger, die dem Fortschritt im Weg stehen, Enteignung von Privatflächen,
Überbauung des Ruhrtals ohne Beeinträchtigung der Trinkwassergewinnung.
Alles das wird die Kurve schließlich im oberen Bereich ablenken,
sprich den Landverbrauch so verlangsamen, daß der allerletzte Quadratmeter
vielleicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag betoniert werden wird.
Am 18. Januar 97 fand auf Einladung der Ergster CDU
eine Podiumsdiskusson statt. Die Tageszeitung meldete: "Zum Siedlungsschwerpunkt
ist Ergste bereits erklärt worden. Daß dieser Plan auch umgesetzt
wird, darauf will jetzt die CDU Ergste drängen." Aber nicht
etwa eine neue Sparsamkeit im Landverbrauch wurde diskutiert. Davon wollte
man nichts hören, es ging nur um ein planvolleres "Wie?".
Noch einmal die Zeitung: "Wo gerade ein Acker zum Verkauf stand,
wuchs eine Siedlung. Planlos ist Ergste in den vergangenen Jahrzehnten
in die Landschaft hinausgewuchert." Der Baudezernent zeigte auch
gleich, wie es weitergehen soll: Sauerfeld (50 Wohnungen), Bierkamp (20
Wohnungen), Schulsportplatz Derkmannsstück (50-60 Wohnungen), Am
Elsebad (150 Wohnungen). Dazu kommen das Warenverteilzentrum an der Autobahnauffahrt
und weitere Gewerbeflächen. Angedacht seien ferner Planungen zur
Erweiterung der Justizvollzugsanstalt sowie Wohngebiete "Am Knapp"
und auf den Flächen "Demhartner", "Thüner"
und "Himmelmann". An einen Investor verkauft wurde auch eine
Fläche an der JVA. Wohlgemerkt, das alles bezieht sich nur auf Ergste.
Schwerte, Villigst, Westhofen, Wandhofen, Holzen und Geisecke sind nicht berücksichtigt.
Die ersten der genannten Objekte sind inzwischen realisiert, die Bautätigkeit
geht weiter.
Eine Trendwende ist also nicht in Sicht. Solange eine
Gemeinde finanzielle Vorteile durch Zuzug von Menschen und Betrieben hat,
wird sich wohl daran auch wenig ändern. Zu niedrige Hürden,
wie sie im Naturschutzgesetz, im Landschaftsgesetz, im Landesentwicklungsplan
aufgebaut wurden, haben bisher keine Wirkung gezeigt. Die Begründung
muß nur lauten, daß der Flächenbedarf innerhalb des Siedlungsraumes
nicht gedeckt werden kann und daß die bisher planerisch gesicherten
Flächen für die absehbare Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung
nicht ausreichen, dann kann weitergebaut werden.
Merkwürdigerweise sind die hier wohnenden Bürger
für das Problem Freiraumverlust so gut wie nicht sensibilisiert.
Dabei bedeutet im Grunde genommen jede zusätzliche Siedlung einen
Verlust an Lebensqualität zumindest für diejenigen, die das
"grüne Umfeld" zu schätzen wissen. Offenbar wird nicht
erkannt, daß wir auf dem besten Wege sind, eine flächendeckende
Vorstadt des Ballungsraumes Ruhrgebiet zu werden.
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Dieter Ackermann, 1999
Literatur:
- UVP-Forderverein: UVP-Report 2/96
- MURL NW: Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen 1995
- DIEKMÄNNKEN, N.: Deutschland braucht in 81 Jahren zweite Etage, in
Naturförderungsges. für den Kreis Unna e.V.: Naturreport, Jahrbuch
1997
- Stadt Schwerte, Amt für Stadtentwicklung und Umwelt: "Schwerte
1976" und folgende
- KURTENBACH, T.: Kernpunkte der Wahlprogramme im Überblick. Ruhr-Nachrichten,
Wahl Extra, Sept. 1998
- ACKERMANN, D.: Natur in Schwerte – Flächensicherung tut not. Natur
in Schwerte, AGON Schwerte 1989
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