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Naturraum Ruhrtal |
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Naturraum - was ist das?
Landschaften, die ähnliche geologische Verhältnisse,
Boden, Klima und Wasserhaushalt haben und in denen sich eine ähnliche Vegetation
einstellen würde, wenn menschliches Wirken unterbliebe, fasst man zu "naturräumlichen
Einheiten" zusammen. Wer von den Hellwegbörden bei Unna sich in Richtung
Opherdicke nach Süden bewegt, stellt zunächst fest, dass das Gelände
ansteigt: Der Haarstrang zieht sich etwa von Osten nach Westen und geht fast
nahtlos in das Ardeygebirge über. Von der Höhe hat man den besten
Eindruck über den nun abrupten Wechsel der Landschaft. Südlich des
Haarstranges fällt das Gelände zum Ruhrtal ab, dahinter steigt in
Wellen das Niedersauerland an.
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Blick von Weischeds
Berg (Niedersauerland) nach Norden. Ergste (im Vordergrund) und Schwerte
(hinten links) liegen auf den Niederterrassen beiderseits der in Bildmitte
von Weiden gesäumten Ruhr. Im Hintergrund die Höhe des Ardeygebirges.
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Dieser Eindruck des Wechsels entspricht auch genau der Grenzziehung
zwischen zwischen zwei naturräumlichen Großeinheiten. Nördlich
des Haarstrangs rechnet man die Landschaft zur Westfälischen Bucht (die
früher ja tatsächlich eine Meeresbucht war), südlich erstreckt
sich das "Süderbergland", eine Zusammenfassung von Sauerland
und Bergischem Land. Nun kann man diese Großeinheiten fast beliebig weiter
unterteilen. Den überwiegenden Teil des Schwerter Stadtgebietes einschließlich
des Ruhrtals rechnet man übrigens zum Niedersauerland. Wer sich für
Einzelheiten interessiert, sollte die unten genannte weiterführende Literatur
zu Rate ziehen. So wird neuerdings wegen der starken Überformung durch
menschliches Wirken neben die natürlichen Großlandschaften der Ballungsraum
Rhein-Ruhr gestellt, der sich zweifellos inzwischen bis nach Schwerte hineinzieht
(Dinter 1999). Wir wollen hier aber nur einige interessante Aspekte aufzeigen,
die zum Verständnis des Werdens unserer Landschaft beitragen.
Geologie
Wenn die Westfälische Bucht einst unter Wasser lag, müsste
sich dort auch Kalk abgelagert haben. So ist es tatsächlich: Tierisches
und pflanzliches Plankton sank auf den Meeresboden und baute dicke Schichten
auf, denen man so schöne Namen wie Cenoman, Turon, Emscher, Senon (von
unten nach oben) gegeben hat. Durch spätere Pressungen haben sich alle
Schichten im Süden stärker gehoben, so dass die Köpfe der ältesten
Schichten im Haarstrang enden. Darunter wellt sich das etwa ab dem Ruhrtal dann
frei liegende, allerdings im Ruhrtal selbst von alten Fluss-Schottern oder vom
Boden bedeckte "variskische Grundgebirge", also Gesteine, die aus
dem über 300 Millionen Jahre zurück liegenden Karbon-Zeitalter stammen.
Diese Gesteine und die daraus verwitterten Böden sind im Gegensatz zu denen
der Hellweg-Börden kalkarm, was Auswirkungen auf die Pflanzendecke hat.
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Alte bäuerliche
Kulturlandschaft auf der Hauptterrasse am südöstlichen Ortsrand
von Ergste. Rechts der Steinberg, im Hintergrund der Höhenzug des Börsting.
Nach dem Willen der Stadt Schwerte soll die Fläche im Vordergrund unter
einer der nächsten Wohnsiedlungen verschwinden. |
Eisige Zeiten
Auch bei Schwerte nördlich der Ruhr gibt es recht gute
Löss- oder Lösslehm-Böden. Das hat mit der Eiszeit zu tun. Nicht
etwa das südwärts schiebende skandinavische Eis hat die nur abgehobelt
und dann abgelagert, sondern der Wind spielte dabei wohl die Hauptrolle. Aus
den Untersuchungen Josef Spiegels weiß man, dass das Eis in der 200 000
Jahre zurück liegenden Saale-Eiszeit bei uns nur etwa bis zum Ardey und
Haarstrang reichte, wenn es auch zeitweise mal bis Iserlohn-Sümmern kam.
Die Eisbedeckung schob ja mal vor und zog sich dann wieder zurück. Dann
lag der Boden in den Börden blank, denn in der Kälte kam höchstens
eine sehr schüttere Pflanzenbedeckung zu Stande. Der Nordwind hatte also
leichtes Spiel, die feinen Lössbestandteile des Bodens als Staubwolken
vor sich her zu treiben und im Windschatten am Hang des Ruhrtals wieder abzulagern.
Hier konnten sie weiter zu Lösslehm verwittern. Das Eis brachte aber auch
gewaltige Schottermassen mit sich, was dazu führte, dass sich bei Essen
eine Barriere aufschob, die die Ruhr blockierte und unser ganzes Gebiet zeitweise
als riesigen Stausee unter Wasser setzte.
Auf krummen Wegen
Vor der Eiszeit und später in Zeiten starker Regenfälle
führte die Ruhr viel Wasser. Nun ist es eine alte Erfahrung, dass Wasser
gutwillig nie geradeaus sondern sozusagen immer auf krummen Wegen zum Ziel will.
Immer wieder bildeten sich neue Schlingen. Boden wurde zum Teil abgeschürft,
Schotter wurde zu Wällen zusammengeschwemmt, die Ruhr staute sich selbst
auf und durchbrach diese selbst geschaffenen Wälle wieder. Ein breites
Flusstal entstand. Später kam weniger Wasser. Die Schlingen waren nicht
mehr ganz so weit ausladend. Trotzdem tiefte sich der Fluss mit neuen Schlingen
weiter ein. Zurück blieben an den Seiten Terrassen. Auf einer solchen Flussterrasse
liegt im Süden Ergste, im Norden Teile von Schwerte. Auch den Rest eines
alten Schotterwalls kann man noch in der Nähe der Katholischen Akademie
erkennen, die sogenannte Drüfelterrasse. Eine Zusammenstellung findet der
interessierte Leser bei Braun (1954). Von einer Fließgewässerdynamik
der Ruhr kann man heute kaum mehr sprechen. Die Ruhrufer sind befestigt, die
Aue ist durch Trinkwassergewinnung und landwirtschaftliche Nutzung stark verändert.
Lediglich die periodisch auftretenden Hochwasserereignisse lassen etwas von
der ursprünglichen Modellierungskraft des Flusses ahnen.
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Die Ruhraue bei Geisecke/Wellenbad.
Die Ruhr ist zur Energiegewinnung aufgestaut, die Ufer sind befestigt und
von Weiden und standortfremden Gehölzen gesäumt. Die Auenfläche
ist bis auf geringfügige Reste entwaldet, dient der Wassergewinnung
und wird extensiv landwirtschaftlich genutzt. Mit dem Inkrafttreten des
Landschaftsplans für Schwerte sind Teile des Ruhrtals als Naturschutzgebiete
ausgewiesen worden. |
Sohlen- und Kerbtäler
Durch sich immer wieder verlagernde Bachschlingen entstanden
auch die ebenen Böden der Bachtäler. Solche Sohlentäler finden
wir am Elsebach, am Lollenbach, am Wannebach, am Gehrenbach und am Kellerbach.
Von den steileren Hängen der niedersauerländer Höhen stoßen
Siepen oder Kerbtäler mit V-förmigem Querschnitt dazu. Sie sollen
lange vor der Vereisung zu Zeiten extrem starker Regenfälle entstanden
sein.
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Das Elsebachtal, ein typisches Sohlental,
wurde als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Links ist ähnlich wie beim
Ruhrtal eine Terrassenbildung erkennbar. Auf dem feuchten Boden gedeiht
hier im Frühjahr das Bittere Schaumkraut. |
Herbstlicher Rotbuchenwald im Hairodt.
Ohne menschliches Wirken wäre unser Gebiet ein Waldland. Auf den basenarmen
Böden der verwitterten Gesteine aus der Zeit des Karbon würde
sich vor allem Hainsimsen-Buchenwald ausbreiten. |
Bauernhof 'In den Höfen' südöstlich
von Ergste am Rand der Hauptterrasse. Das flache Kerbtal des Klosterbaches
zieht zum Elsebach hinab. Lebensraum für Haussperling, Rauchschwalbe,
Hausrotschwanz und Steinkauz |
Was wäre wenn...
Unsere Landschaft wird intensiv genutzt. Auf freien Flächen
wird Landwirtschaft betrieben oder es entstehen immer neue Wohnsiedlungen und
Gewerbegebiete. In topografisch ungünstigen Lagen steht Wirtschaftswald,
häufig monotone Fichtenforsten. Was wäre aber, wenn alle Menschen
hier plötzlich auswanderten und die Landschaft sich selbst überließen?
Nach längeren Zeiträumen stellte sich dann als Schlussgesellschaft
eine sogenannte potenzielle natürliche Vegetation ein. Im Klartext heißt
das, dass sich bei uns überwiegend Hainsimsen-Buchenwald ausbreitete. Die
Bäche würden von auch heute teilweise vorhandenen Erlen-Hainmieren-"Wäldern"
gesäumt. Im Ruhrtal käme es wohl zur Ausbreitung von Eichen-Hainbuchen-Wald.
Wenn es die Ruhr aber schaffte, aus ihrem Bett auszubrechen, könnte sich
eine natürliche Fließgewässerdynamik wieder einstellen. Die
Folge wäre eine Ausbreitung von Erlen- und Silberweiden-Auwäldern
(Burrichter et al. 1988).
Text und Bilder: Dieter Ackermann
Literatur:
BRAUN, F.-J., 1954: Die Terrassen an der mittleren Ruhr. Geolog. Jahrbuch Band
69, S. 391-400. Hannover.
BÜRGENER, M., 1969: Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 110 Arnsberg.
Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung. Bad Godesberg.
BURRICHTER, E., R. POTT & H. FURCHT, 1988: Die potentielle natürliche
Vegetation. Geografisch-landeskundlicher Atlas von Westfalen. Münster.
DINTER, W., 1999: Naturräumliche Gliederung. In LÖBF/LAfAO NRW (Hg.)
Rote Liste der gerfährdeten Pflanzen und Tiere in NRW. 3. Fassung, LÖBF-Schriftenreihe
17, S. 29-36
KÜSTER, H., 1999: Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa: von der Eiszeit
bis zur Gegenwart. Beck, München
STADT SCHWERTE (Hg.) 1997: Schwerte 1397-1997: eine Stadt im mittleren Ruhrtal
und ihr Umland. Klartext. Essen.
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