Die Minne der Adler
Mein erster Gang gilt den Fischadlern. Und heute sehe ich einen Balzflug des Adlers. In großer Höhe flattert das Männchen mit hastigen Flügelschlägen über dem Horst hin und her, dabei fortwährend rufend. Die Schwingen werden ein wenig gewinkelt, der Stoß ist aufs äußerste gebreitet. Nun steigt der Adler noch höher hinauf, und jetzt geht es in Wellenlinien auf und ab, ähnlich wie bei dem Balzflug des Schreiadlers. In die abfallenden Strecken gleitet er gleichfalls mit stehenden Schwingen. Aber während er aufsteigt, schlägt er die Flügel schnell. Die Fänge hängen lose herab. Und viele, viele langgezogene Rufe begleiten den Flug.
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Fischadler rüttelt |
Solche Flüge - wie auch bei den Schreiadlern - gibt es nicht nur im Frühling, sondern vereinzelt auch im Sommer und sogar in den letzten Wochen des Aufenthaltes im Brutrevier. Ihre Bedeutung ist darum weiter zu fassen, als wir es gemeinhin tun. Diese sogenannten "Balz"flüge dienen vor allem der Revierbehauptung. Der Adler "zeigt sich über seinem erkorenen Revier wie eine Flagge, die das Land, soweit es eben zu ihr gehört, beherrscht." Naturgemäß sind diese Flüge im Sommer seltener.
Während der Balzflüge des Männchens steht das Weibchen auf dem Horst und antwortet mit lauten Einzelrufen auf das anhaltende Rufen aus der Höhe. Aber heute bemühen sich fortgesetzt zwei fremde Adler um das Weibchen. Sie wollen den Horst aufliegen, und einer rüttelt sogar ganz niedrig darüber mit der Absicht, sich auf den Rücken des Weibchens zu stellen. Doch dieses gerät außer sich. Es beugt sich vor und ruft so erregt, daß der fremde Adler sich entfernt. Aber nach einer Weile fußt er plötlich auf dem Horst neben dem Weibchen und hält gar einen Fisch in den Fängen, den er wohl als Morgengabe darbringen möchte. Das Weibchen geht jedoch auch auf diesen Bestechungsversuch nicht ein und vertreibt allein mit der Heftigkeit ihrer Rufe den Eindringling, der den dargebotenen Fisch wieder mitnimmt. Dieses Geschehen wiederholt sich, und Eindringen und Vertreiben stören den Zusammenhang zwischen dem Weibchen auf dem Horst und dem Adler in der Höhe, der in den Balzflügen unbeeindruckt fortfährt. Dennoch muß sich wohl die notwendige Erregungshöhe aufbauen, denn endlich winkelt das balzende Männchen die Schwingen an, saust in zwei Gleitstrecken herab und befliegt die Gefährtin. Wie seltsam ist es dann aber, daß der Adler danach gemeinsam mit den fremden Adlern in Horstnähe kreist, ohne sie zu vertreiben. Und später mischt sich auch das Weibchen unter die Kreisenden, ohne daß es zu Feindseligkeiten kommt.
Im Seerand sind heute beide Schreiadler auf der Jagd. Das Männchen hat auf dem Wege am Südufer gestanden und das Weibchen nicht weit entfernt in einer Wiesenschlinge des gleichen Ufers. Das Männchen geht zuerst hoch, streicht ein wenig in den Bestand hinein, um dort im Verborgenen Höhe zu gewinnen, und kommt dann erst ins Freie hinaus. Das Weibchen bleibt zunächst am Boden, obwohl es das Abstreichen des Partners beobachtet haben muß. Viel später finden sie sich über der Halbinsel zusammen. Sie kreisen und unterscheiden sich dabei deutlich in Gestalt und Größe. Das Männchen ist kleiner und hält die Schwingen nicht so bandartig breit wie das Weibchen, sondern viel öfter spitz gerundet wie ein Bussard. Beim Weibchen laufen die Flügelkanten geradezu parallel, und am Ende sind die großen Schwungfedern wie Finger gespreizt. Das Männchen beginnt sehr bald mit dem Balzflug, kippt nach vorn über, steigt auf, läßt sich wieder vornüber fallen und setzt dieses Auf und Ab eine Zeitlang fort, dabei lebhaft rufend. Später kreisen sie im Gleichmaß weiter Runden.
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Fischadler |
In einer beträchtlichen Höhe schwebt jetzt der männliche Adler über dem Weibchen, setzt zu einem kurzen Gleiten an und fährt heftig auf das Weibchen zu. Was soll denn daraus werden? Das Weibchen dreht sich im Augenblick wie zu einer Abwehr auf den Rücken, und beide Adler krallen sich mit ihren Fängen ineinander. Dann trudeln sie beide vereint aus großer Höhe ab. Einmal gelangt das Weibchen dabei nach oben, dann aber hängt es wieder unten, und flügelschIagend stürzen beide so in die Tiefe. Ein unglaublich eindrucksvolles Geschehen! Bald verschwinden sie hinter den Kieferkronen der Reiherinsel, und ich kann nicht beobachten, wie sie sich voneinander lösen.
Alle Fotos: Georg Hoffmann
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