Vögel fotografieren Teil 1  

Fotografieren am Vogelnest?

In den 1950er Jahren war es üblich, Vögel am Nest zu fotografieren. 1958 besuchte ich meine Freundin im Sauerland - und stolperte fast über ein Goldammernest am Rand des Wanderweges. Erschreckt flatterte der Vogel neben mir auf. Das, dachte ich, ist ja die Gelegenheit! Mit einem elektrischen Auslöser müsste es doch klappen, ein Goldammerfoto zu bekommen. Nun lag das Nest aber so tief versteckt zwischen Zweigen und Gras, dass da ohne starke Veränderung der Nestumgebung nichts zu machen war. Keinesfalls wollte ich aber die Brut in Gefahr bringen. Von weitem beobachtete ich jedoch, dass einer der fütternden Vögel sich immer über denselben Zweig der Nestumgebung näherte. Eine Spiegelreflex hatte ich noch nicht, nur eine einfache Agfa Isolette 6x6. Also stellte ich den Apparat auf, mit einem übergezogenen Beutel und mit Gras und Blättern getarnt. Trotzdem gefiel das meiner Goldammer nicht. Sie flog einfach von der anderen Seite an. So nahm ich also den Fotoapparat wieder mit und ließ, etwas weiter entfernt, eine Attrappe stehen.

Am nächsten Morgen stellte ich erfreut fest, das mein Vogel wieder seinen alten Weg nahm. Nun musste alles schnell gehen: nach einer Fütterung die Attrappe gegen die getarnte Kamera austauschen - dann wieder füttern lassen - Kabel auslegen - nochmal füttern lassen. Dann endlich sitzt der Vogel anscheinend gut: Auslösen - und schon war er weg. Ist er nun drauf oder nicht? Auf 20 m Entfernung ist das so genau nicht zu beurteilen. Also noch ein Versuch - und noch einer. Zu Hause, nach der Filmentwicklung, leichte Ernüchterung: Das Sonnenlicht war nicht gerade ideal und die Fünfzigstelsekunde etwas zu lang. Aber egal. Mein erster Vogel war fotografiert - die Jungen waren nach einer Woche ausgeflogen - und meine Freundin habe ich später geheiratet.

 


Goldammer auf dem Weg zum Nest. Per Fernauslösung sind Haltung und Beleuchtung des Vogels und die Bildschärfe ohne Autofocus schlecht zu kontrollieren.

Bundesnaturschutzgesetz
vom 01.03.2010 § 39 (1) 1: "Es ist verboten, wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen".
Seitdem ist viel Zeit vergangen. Fotografierende Rabauken haben ohne Rücksicht auf Verluste versucht, schnell zu Fotos seltener Arten zu kommen. Damals waren die Bilder noch gut zu verkaufen. Gelege wurden kalt, Jungvögel wurden nicht mehr gefüttert und verhungerten. Birkhühner gaben ihre Balzplätze auf, kamen nicht mehr zur Vermehrung, weil sie dauernd gestört wurden. Die Umsichtigen unter den Fotografen hatten darunter zu leiden. Die GDT, Gesellschaft deutscher Tierfotografen, hat ihre Mitglieder angehalten, keine Nestaufnahmen mehr zu zu machen oder zu veröffentlichen, um aus der Diskussion heraus zu kommen.

 

Objektive und Konverter - jetzt kann es, muss aber nicht teuer werden!

Abstand halten ist das eine Mittel, um Tiere nicht zu stören, sich zu verstecken, ist das Zweite. Davon soll im nächsten Kapitel die Rede sein. Abstand läßt sich aber nur mit Teleobjektiven überbrücken - und die sind leider um so teurer, je länger die Brennweite und je höher die Lichtstärke ist. Tierfotografen benutzen bei Gehäusen mit Vollformat-Sensor (24 x36 mm) meist Teleobjektive 2,8/300 mm bis 4,0/600 mm. Diese Objektive können zwischen 5000 und 10000 Euro kosten. Dazu kommen noch 1,4-fach und 2-fach Konverter, die die Objektivbrennweite um den genannten Faktor vergrößern. Viel verkauft werden zurzeit zwei Telezooms von Tamron und Sigma je 150-600mm 5/6,3 für rund 900 Euro.

Lichtstarkes Teleobjektiv Nun wären ja selbst diese Preise kein Problem, wenn man die Bilder gegen gute Honorare bei Verlagen und Agenturen loswürde. Eher ist das Gegenteil der Fall. Die Geldquellen haben sich die professionellen Platzhirsche gesichert. Sie müssen davon ausgehen, dass Sie höchstens ein paar Brosamen vom großen Kuchen abbekommen. Mit anderen Worten: Sie dürfen nicht damit rechnen, dass sich die Anschaffung eines Tele-Lichtriesen amortisiert. Mit der Ausrüstung allein ist es ja nicht getan. Sie müssen auch die Zeit und die Reisen investieren und über die Informationen und Erfahrungen wie die Profis verfügen. Und ob Sie dann mit deren Bildern mithalten können, ist die nächste Frage.

...und was ist mit Superzoom-Bridgekameras?

Damit sind wir schon bei Kompromissen, und die bedeuten kürzere Brennweiten bei kleinerem Aufnahmesensor. Leider geht das zu Lasten der Bildqualität, glücklicherweise vermindert es das Ausrüstungsgewicht und die Anschaffungskosten ganz beträchtlich. Naturfoto-Lehrbücher werden von professionellen Naturfotografen geschrieben, die mit ihren Bildern, Büchern und Fotokursen Geld verdienen. Verständlich, dass für sie nur Systemkameras mit Vollformat-Sensor und ein großer Objektivpark infrage kommen. Wer nicht unbedingt mithalten will oder muss beim Fotografieren in Grenzbereichen, bei schnellen Bewegungen, kürzesten Bildfolgen, Ausschnitten in hoher Bildqualität, und wer zusätzlich um die Schwierigkeiten der Telefotografie weiß und sich darauf einstellt, kann auch mit Superzoom-Bridgekameras Natur fotografieren. Es kommt halt auf den Verwendungszweck der Fotos an.

Die Kirche im Dorf lassen

Wer sich ernsthaft der Vogelfotografie verschrieben hat und meint, mit Superzom-Bridge-Kameras nicht zurecht zu kommen (oder sich damit nicht sehen lassen zu können), wird sich ein DSLR-Kameragehäuse und ein ordentliches Tele anschaffen müssen. Lassen wir die Vollformatkameras mal beiseite, dann bieten sich Gehäuse mit APS-C (Canon) bzw. DX (Nikon) Sensorgröße an. Als Beispiel haben die Gehäuse der Canon 7D und 70D einen Sensor der Größe von 22,2 x 14,9 mm. Ein Teleobjektiv von 400 mm wirkt daran wie ein 650 mm-Objektiv. Vom Gewicht her lässt sich damit gerade noch aus (ruhiger!) freier Hand fotografieren.

Nun gibt es ja auch weitere, freie Objektivhersteller, die gute und weniger gute Objektive für Spiegelreflexkameras bauen. Dazu sollten Sie eine Empfehlung beherzigen: Kaufen Sie niemals die Katze im Sack. Lassen Sie sich nicht durch noch so schöne Werbung mit asphärischen Linsensystemen oder durch (vielleicht vom Hersteller gesponserte) Testberichte zu sehr beeindrucken. Vereinbaren Sie beim Kauf die mögliche Rückgabe gegen Rückgeld innerhalb einer bestimmten Frist. Bei Internetkäufen wird ein Rückgaberecht innerhalb von 2 Wochen eingeräumt. Machen Sie zu Hause in Ruhe eine Serie Testaufnahmen, und entscheiden Sie sich erst ob Sie das Objektiv kaufen, wenn Sie die Digitalbilder genau geprüft haben.

Das Spektiv als Supertele?

Beobachten Sie vielleicht intensiver die Vogelwelt und haben sich dazu ein gutes Spektiv zugelegt? Dann lohnt sich zumindest der Versuch, durch dieses stark vergrößernde Fernrohr zu fotografieren. Erforderlich ist dazu ein Smartphone oder eine der kleinen digitalen Kompaktkameras mit kleinem Objektivdurchmesser, denn das Objektiv muss dicht ans Okular heran.

Der Versuchsaufbau

Sie richten bei bedecktem Himmel (Luftflimmern vermeiden!) und Windstille das auf einem festen Stativ stehende Spektiv auf einen entfernteren Gegenstand, stellen scharf und setzen auf ein zweites Stativ die kleine Digitale oder das Smartphone, und zwar so, dass das Objektiv mittig möglichst nah vor der Frontlinse des Okulars steht. Schatten Sie Fremdlicht ab und verändern Sie die Kamerabrennweite schrittweise in Richtung Tele und die Okularvergrößerung ebenso bis auf dem Display keine Vignettierung mehr erkennbar ist. Lösen Sie per Selbstauslöser aus, denn einen Drahtauslöseranschluss haben die meisten kleinen Dinger nicht. Ist das Ergebnis schlecht, taugt Ihr Spektiv nicht fürs Fotografieren. Bei neueren Spektiven von z.B. Kowa, Leica, Svarowski, Zeiss dürften Sie aber Erfolg haben. Dieser Versuch ist zwar eine Fummelei besonders mit Smartphone - Sie wissen aber danach, ob es sich überhaupt lohnt, weiter zu machen.

Trapphahn in der Hansag an der Grenze Österreich/Ungarn. Aufnahme mit Sony DSC W1 durch Spektiv Leica Apo-Televit mit Schrägeinblick und Vario-Okular 20-60x
Selbstbau-Adapter für Panasonic FS16 und Spektiv Leica Apo Televid 77 mit Okular 20-60x. Oben der Drahtauslöseranschluss mit Gewinde M3 und einem federnden Blechstreifen aus einer Heftzunge vom Schnellhefter. So kann die Kamera auch im Adapter von Hand ausgelöst werden.

Sie können sich erkundigen, ob der Spektivhersteller fertige Kameraanschlüsse liefert, wie die zu handhaben sind und was sie kosten. Zeiss hatte zeitweise sogar ein Okular mit eingebauter Digitalkamera im Programm. Immer wieder kommen neue Konstruktionen auf den Markt. Mit etwas handwerklichem Geschick kann man auch selbst einen einfachen Adapter mit einem Ring um das Objektiv herum bauen. Der Wechsel Beobachten/Fotografieren geht dann relativ schnell durch Einstecken der Kamera mit dem Ring in den Okulartubus.

Bei Panasonic FS16 mit Tele-Einstellung 3x und Okular 30x komme ich auf rund 2,5 m Brennweite. Das hört sich gut an - aber bei dem kleinen Bildwinkel muss man das Objekt erst mal finden. Dann muss das Spektiv scharf eingestellt werden, bevor die Kamera angesetzt wird. Der Autofocus kann nur die letzte Feineinstellung übernehmen. Hoffentlich ist jetzt der Vogel noch da. Bei flimmernder Luft ist auf einige Entfernung trotzdem kein scharfes Bild zu bekommen. Hinzu kommt, dass die Lichtstärke gering ist und mit höher eingestellter Okularvergrößerung noch abnimmt. Also werden die Belichtungszeiten entsprechend lang. Wenn Sie Glück haben, setzt der Wind den Aufbau nicht ins Schwingen. Ach ja - einen Drahtauslöseranschluss werden Sie auch noch basteln müssen, wenn Ihre Kamera keinen hat. Ich will die Schwierigkeiten nicht übertreiben, aber Sie sollten erkennen, dass ein Spektiv kein Ersatz für ein Teleobjektiv ist, aber eine interessante Ergänzung sein kann.

*) Brennweiten bezogen auf Kleinbildformat 24 x 36 mm

Text und Bilder: Dieter Ackermann, AGON, im Nov. 2006, Nov.2010, März 2012, Okt. 2013, Jan. 2015, Mai 2015, Feb.2016

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