Der Kormoran frisst Fische Genau das wird ihm von Fischteichbesitzern und vor allem von Anglern zum Vorwurf gemacht. Wobei man Fischereibetriebe, die vom Fischfang leben müssen, noch verstehen kann. Sportfischer aber gehen ihrem Hobby nach, einige essen gar keinen Fisch, und die anderen könnten ihn viel billiger im nächsten Laden kaufen. Aber genau die Angler melden sich am lautstärksten zu Wort und fordern vehement den Abschuss der Kormorane. Er stört sie eben bei der Ausübung ihres Hobbys. Verurteilung
Er vermehrt sich ungebremst, bildet Überpopulationen und stört das biologische Gleichgewicht, behaupten die Ankläger. Von einer Überpopulation könne keine Rede sein, allenfalls von punktuellen Ausnahmesituationen an kleineren Fließgewässern, hält der Naturschutzbund (NABU) dagegen. Siehe hierzu auch die Resolution des NABU Landesverbandes NRW. Solche Ausnahmesituationen könnten z. B. gegeben sein, wenn kleine, im Bestand bedrohte Äschenbestände in Gefahr sind. Die sind aber in der Regel gar nicht bedroht, da es für den Kormoran keinen Sinn macht, in aufwändigen Tauchgängen hinter seltenen Fischen herzujagen. Er kann mit viel geringerem Energieaufwand häufige Fische erbeuten (Suter). Im November 2006 trafen sich 160 Wissenschaftler, Vertreter des Naturschutzes und Funktionäre der Fischerei zur Fachtagung „Kormoran“. Dabei wurde von Seiten der deutschen Fischerei eine Reduzierung auf die Hälfte der heutigen Kormoranbestände gefordert. Ein Konsens zwischen beiden Seiten war damit unmöglich (LÖBF). Bäume wachsen nicht in den Himmel – sagt der Volksmund. Eine Vogelpopulation reguliert sich selbst über die verfügbare Nahrung und andere Umweltfaktoren – sagen die Ökologen. Die hat die Landesregierung in einer eigenen Stabsstelle. Sie müsste nur darauf hören. Die mitgliederstarken Anglerverbände sind beim Umweltminister NRW vorstellig geworden. Seine Entscheidung: Feuer frei! Nachdem schon vor Jahren an der Lenne im Märkischen Kreis und im Kreis Olpe bereits Kormorane in begrenzter Stückzahl geschossen werden durften, gab der Hochsauerlandkreis 80 Kormorane zum "Vergrämen durch Abschuss" an Ruhr und Wenne frei. Im Mai 2006 erließ der Umweltminister NRW zu allem Überfluss die neue Kormoranverordnung. Nun darf im ganzen Land vom 16. September bis 15. Februar geschossen werden. Der Geiseckesee ist allerdings Bestandteil des Naturschutzgebiets Bahnwald. So haben die schwarzen Vögel hier ein Rückzugsgebiet, in dem Sie sicher sind. Die Geschichte der Verbreitung des Kormorans ist gleichzeitig die Geschichte seiner Bekämpfung und Vertreibung. In Deutschland war er einst in allen seenreichen Gebieten von Ostpreußen bis Nordschleswig Brutvogel. Seine starke Vermehrung und sein Ruf als Fischereischädling führten stets zu Gegenmaßnahmen. Überall, wo er sich ansiedelte, wurde er bald wieder vertrieben. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich die Kormorane in der Mark Brandenburg stellenweise so stark vermehrt, dass sogar Soldaten des Garde-Jägerbataillons zu ihrem Abschuss herangezogen wurden. (Glutz et al.) In Westfalen hat der Kormoran wahrscheinlich zuvor nie gebrütet. Er gehörte hier Jahrzehnte lang zu den Seltenheiten. Von 1948 bis 1967 sind nur 109 Nachweise bekannt geworden (Peitzmeier 1969). Noch vor 30 Jahren fuhr man, wenn man Kormorane aus der Nähe sehen wollte, nach Holland zum Naarder Meer. Dann setzte eine Aufwärtsentwicklung und schließlich ein Wiederabklingen ein. Was die Zukunft bringt, wird weitgehend von der Jägerschaft abhängen. Wird sie sich als Werkzeug der Angler missbrauchen lassen oder erinnert sie sich vielleicht doch an die früher so gelobte „Waidgerechtigkeit“?Reif für die Insel Ab 1987 rasteten Kormorane in größeren Zahlen am Stausee Hullern (Kreis Recklinghausen). Zu ersten Bruten in Westfalen kam es im Mai 1991 auf einer Insel in den 8 km entfernten Hausdülmener Fischteichen. Flugs ließ der Herzog von Croy als Besitzer der Fischteiche im nächsten Jahr mit Zustimmung der Landesregierung die Horstbäume fällen (Buchheim & Bellebaum). Dort gab es dann zwar keine Bruten mehr, doch die Verbreitung des Kormorans ließ sich dadurch nicht aufhalten.
Wasservogel-Zählungen
Seit 1988 zählt die AGON im Winterhalbjahr jeweils an einem Sonntag um die Monatsmitte ab 9:00 Uhr die Wasservögel auf und an der Ruhr, den Nebengewässern und dem Geiseckesee. Dabei werden die fischenden, die ruhenden und überfliegenden Kormorane erfasst. Diese Zahlen sind nicht gleichzusetzen mit dem Bestand, der in den Bäumen des Geiseckesees schläft. Sie zeigen aber ungefähr, in welcher Größenordnung Kormorane das Nahrungsangebot der Ruhr zwischen den Ruhrbrücken Schoof und Westhofen nutzen. Selbstverständlich gibt es auch Doppelzählungen durch hin- und herfliegende Kormorane, was zu überhöhten Ergebnissen führt. Da die Fehlerquote aber bei allen Zählungen in etwa gleicher Höhe anzusetzen ist, lassen die Zahlen einen generellen Bestandstrend gut erkennen. Abb. 2 zeigt in gedrängter Form die einzelnen Datensätze des gesamten Zählzeitraums. Bis 1990 tauchten nur vereinzelte Kormorane an der Ruhr auf, doch dann ging es steil aufwärts. Die Spitzenwerte lagen jeweils im Januar 1995 und 1996. Sie sind seitdem nicht wieder aufgetreten. Meist pendeln die Zahlen jetzt um die 50 bis 60 Kormorane. Noch klarer erscheint der zunächst steile Anstieg und das ab 1995 wellenförmige Abfallen der Kormoranzahlen in Abb 3, das die Mittelwerte der Ergebnisse je Zählperiode zeigt. Es hat sich anscheinend, was das Verhältnis von verfügbarer Nahrung und Kormoranen angeht, bereits ein gewisses Gleichgewicht eingestellt. Abb. 4 verdeutlicht die Verteilung der Kormorane auf die Monate des Winterhalbjahrs mit dem jährlichen Anwachsen des Bestandes vom Herbst zum Frühjahr. Schlafplatz-Zählungen Die bei den Wasservogelzählungen erhobene Anzahl Kormorane sagt noch nichts aus über die Nutzung der Uferbäume am Geiseckesee als "Schlafzimmer". Es ist bekannt, dass Kormorane nicht nur gute Taucher sondern ebenso gute Flieger sind, deren Aktionsradius mit 30 - 40 km anzusetzen ist. Wenn unsere Wasservogelzähler um neun Uhr ausrücken, sind sicher die meisten Kormorane schon unterwegs zum Hengstey-, Harkort- oder Kemnader See, zur Möhnetalsperre oder zum Halterner oder Hullerner Stausee. Möglicherweise kommen einzelne Trupps vielleicht gerade von einem der anderen bekannten Schlafplätze. Reinhard Wohlgemuth wollte es wissen und beteiligte sich an den landesweiten Synchronzählungen an Schlafplätzen ( Buchheim 1998) . Die Ergebnisse zeigt Abb. 5. Der Geiseckesee ist das "Schlafzimmer" für einen Bereich der Ruhr, der weit über die Schwerter und Holzwickeder Stadtgrenzen hinaus geht. Auffällig sind die hohen Zahlen jeweils im Mai. Möglicherweise ziehen die dann hier brütenden weitere Vögel zum Übernachten an. Wenn auch der Zeitraum von 1999 - 2006 zu kurz erscheint, um eine gesicherte Aussage zu treffen, wird doch insgesamt ein abfallender Trend deutlich. Schlussfolgerung Ein Rückgang der Kormoranzahlen – auch ohne Bejagung - ist in allen drei Betrachtungen unverkennbar. Von einer ungebremsten Vermehrung, der Bildung einer "Überpopulation" und einer Störung des biologischen oder ökologischen Gleichgewichts kann keine Rede sein. Die Zahlen zeigen, dass nach einem anfänglich starken Anwachsen der Kormoranzahlen längst wieder ein Abklingen eingesetzt hat. Ein Gleichgewicht hat sich in der Natur immer von selbst eingestellt. Wer das nicht wahrhaben will, hat von Ökologie vielleicht eine falsche Vorstellung. Nicht wenige Naturnutzer verstehen allerdings unter "Gleichgewicht", das was ihnen am meisten nutzt. Wie sagte doch schon Jakob von Uexküll: Ökologie ist die Lehre von der Struktur und Funktion der Natur. Dass Ökologie in diesem Sinne tatsächlich funktioniert, wird an unseren Kormoranen wieder einmal deutlich. Der freigegebene Abschuss stört nur die natürlichen Regulationsmechanismen. Wir rechnen nicht mit einem weiteren Anwachsen der Kormoranzahlen, es sei denn, es wird für mehr Nahrung gesorgt. Was das Schicksal der Brutkolonie angeht: Hier dürfte es allerdings spannend bleiben. Danksagung: Ohne die vielen Zählungen sachkundiger Ornithologen wäre diese Betrachtung gar nicht möglich gewesen. Der Dank der AGON gilt: Jürgen Althoff, Heinz Bloch, Irmgard Devrient, Gerhard Kochs, Siegfried Kolbe, Heino Künemund, Lisa Mignolet, Claudia Olszak, Wolfgang Pitzer, Gerhard Sauer, Rolf Solf und anderen. W. Prünte und R. Wohlgemuth danken wir für die Unterstützung mit Literatur bzw. Zähldaten, F. Prünte für die kritische Durchsicht des Manuskriptes. Dieter Ackermann, Reinald Badalewski, im Juli 2007 Literatur:
Naturschutzbund Deutschland NABU Landesverband Nordrhein-Westfalen Landesvertreterversammlung 30.3.2003 in Jülich Resolution zum Schutz des Kormorans
|